Samstag, 21. Dezember 2019

SOL Projekt Konjunktur - ein Erfahrungsbericht

Weil es überall - manchmal fast messianisch - propagiert wird und tatsächlich Sinn machen kann, habe ich es wieder einmal gemacht: ein SOL-Projekt.

Vorbemerkungen zu Schule und Projekt

Als ich an Vollzeitschulen arbeitete, führte ich mehrere solche Projekte durch. An der jetzigen Schule gibt es ein Fach "überfachliche Kompetenzen", in welchem alle Klassen eine zweitägite Schulreise organisieren müssen. Dieses SOL-Projekt begleitete ich diverse Male.

Zum ersten Mal setzte ich explizit elektronische Hilfsmittel ein. Früher erfolgte die Kommunikation ausschliesslich über E-Mail. Diesmal mussten die Lernenden Filme und Padlets erstellen.
Es handelte sich um kaufmännische Berufslernende mit M-Profil (Berufsmatura) am Ende des 5. Semesters.

Es war kein "radikales" SOL-Projekt, ich gab den Lernenden die Lernziele, die abzugebenden Produkte und die Zeit vor. Sogar die empfohlenen Buchkapitel und weitere Unterlagen wurden abgegeben.
Sie durften selbst die Gruppe und die Arbeitseinteilung wählen. Sie mussten in der Schule, aber nicht im Schulzimmer sein. Die Leistung im Projekt wird im Hinblick auf die nächste Prüfung in geringem Umfang berücksichtigt.

Die Erfahrungen mit dem konkreten Projekt

Die Gruppen waren schnell gemacht. Jedoch war erkennbar, dass nicht alle Lernende Freude an dieser offenen Form des Lernens hatten. Teilweise war der Missmut auch mit der fehlenden Erfahrung in solchen Dingen und der Unsicherheit bezüglich den technischen Erfordernissen zu erklären.

Zwar stehen im ganzen Schulhaus Computer und alle Lernenden haben ein Smartphone, jedoch gibt es (noch) keine 1:1 Ausstattung mit Notebooks. Auch die Softwaren Padlet und MS-Stream waren nicht allen bekannt. Bei Stream hatte eine Schülerin auch die Sorge, dass man diesen Film ja dann in der ganzen Schule schauen könne, was zu hämischen Kommentaren von Mitlernenden führen könnte. Ferner gibt es einfach Lernende, die am liebsten durch Zuhören und notieren lernen.

Die meisten Gruppen begannen damit individuell zu lesen. Dies machte, Sinn, weil man sich erste Wissen aneignen muss, bevor man eine komplexere Aufgabe bewältigen kann. Kreativität und kritischens Denken sind ohne Orientierungswissen nicht wirklich möglich.

Im Rahme des Projektes hielt ich zwei Inputs in Form einens Lehrvortrags. Der Besuch des Vortrags war freiwillig. Man hätte sich den Inhalt auch selbst mit Hilfe des Buches und der Unterlagen erwarbeiten können. Alle Lernenden hörten den Inputs zu.

Je länger das Projekt dauerte, desto mehr fanden sich die Lernenden in ihren Rollen. Gruppen wurden sinnvoll aufgeteilt, Es fanden innerhalb der Gruppen vermehrt Fachgespräche über unklare Inhalte statt. Allenfalls wurde ich angefragt, was ich explizit anbot. Es ergaben sich einige vertiefte Sachgespräche. Etwas, was sich auch bspw. beim Lösen von Übungen ergibt.

Schlussendlich reichten alle Gruppen rechtzeitig die geforderten Leistungsnachweise ein. Zwar hätte man bei den Filmen noch ein bisschen kreativer sein können, und die Qualität der Texte war recht unterschiedlich, generell wurden die Aufträge aber erfüllt.

Teilweise gab es technische Schwierigkeiten. Es ist interessant zu beobachten, dass auch "Digital Natives" häufig Hemmungen haben, neue Software auszuprobieren und gerne auf E-Mail zurück greifen. Diesbezüglich und auch bezüglich Kreativität in der Umsetzung der Aufträge wäre mit mehr solchen Projekten wohl eine Steigerung möglich. Der Umgang mit neuer Software würde zweifellos routinierter und die Hemmung sich auf Neues einzulassen, abgebaut.
Die Qualität, die Tiefe und die Nachhaltigkeit des erworbenen Wissens, ist schwierig zu beurteilen.

Schwierigkeiten und Bewertung solcher Projekte

Was man sicher sagen kann, ist dass ein solches Projekt deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als lehrerzentriertes Unterrichten. Ferner war es so, dass zwei Gruppen deutlich vor den andern drei Gruppen fertig wurden. Es stellt sich die Frage, was mit diesen Gruppen gemacht werden soll. Auch die Bewertung der Leistung ist schwierig. Würde man nur solche Leistungsnachweise bewerten, muss damit gerechnet werden, dass entweder fast keine schlechten Bewertungen (mehr) gemacht werden oder dass es eine Flut von Rekursprozessen kommt.
Bewertet man den fachlichen Inhalt, so gäbe es wohl viel mehr fachliche Fragen. Es stellt sich die Frage, ob man am Ende wirklich die Leistung der Lernenden und nicht die eigene Leistung bewertet.
Einige dieser Schwierigkeiten und Unsicherheiten auf meiner Seite würden sich wohl reduzieren, wenn vermehrt solche Projekte durchgeführt werden würden. Auch die "Übungsanlage" könnte noch variiert und optimiert werden. Insbesondere problemorientierte Aufgabenstellungen könnten im Bereich Problemlösungskompetenz sinnvoll sein.

Fazit, Einschätzung, Ausblick

Es hängt wohl vom Ziel ab, welches man verfolgt. Wenn man neben Wissensaufbau, Konzentration und logischem Denken, auch Selbstorganisation, Problemlösekompetenzen, Kommunikation, Kooperation, kritsches Denken und Kreativität fördern will, können solche Projekte Sinn machen, sie sind aber kein Allheilmittel. Zu beachten ist jedoch, dass die Lernenden an drei bis vier Tagen in einem Unternehmen sind, wo sie bereits "echte" Projekte haben. SOL ist deshalb in Vollzeitschulen sinnvoller.

Es kann aber trotzdem auch in Berufsschulen Sinn machen, gewisse Wissensdetails zu reduzieren, bzw. bei Lernkontrollen vermehrt Open-Book Prüfungen durchzuführen, um Zeit für solche Projekte zu finden. Wissen darf aber weder eliminiert noch durch Beliebigkeit ersetzt werden.

Kreativ und kritisch im Denken kann nur sein, das Internet kann nur effizient nutzen, produktiv kann nur arbeiten, wer ein breites Allgemeinwissen und ein vertieftes Orientierungswissen hat. Vieles ist beständiges Wissen, welches die Grundlage von spezialisiertem Wissen ist. Der Satz "Die Halbwertszeit des Wissen hat sich reduziert." ist in vielen Bereichen schlicht falsch.

Sätze wie "keine Wissen auf Vorrat", "alles Wissen ist im Internet" oder "Wissen verhindert Lernen" sind absurd. Sie zerstören nicht nur ein Bildungswesen, sie zerstören auch den Wohlstand eines Landes und sie verbauen unseren Kindern die Zukunft.

Padletbeispiel









Sonntag, 1. Dezember 2019

Was bedeutet digitaler Wandel in der Schule?


Diese Beitrag entstand nach einem Aufrauf von Rahel Tschopp auf Linkedin
 
Digitaler Wandel in der Schule hat eine technische Seite. Lernende brauchen leistungsfähige Geräte und Software, Lehrpersonen müssen weitergebildet werden, der Support und die Technik müsses bereit sein. Lernende benötigen Kenntnisse der technischen Grundlagen der Informatik.

Weiter verbessert digitaler Wandel didaktische Möglichkeiten. Gemeinsames, problemorientiertes und selbstorganisiertes Lernen werden einfacher. Der Aufbau weiterer Kompetenzen neben Allgemeinbildung und Orientierungswissen wird einfacher und wohl bedeutsamer, ersetzt diese aber nicht. Prüfungsformate könnten vermehrt in Richtung Open-Book bei grösserem Zeitdruck gehen. Digitaler Wandel beschleunigt den Strukturwandel der Wirtschaft. Produktivität und Zeitdruck nehmen zu.

Deshalb ist es wichtig Grundlagen zu lernen, die beständig sind. Wissen bleib zentral. Nur wer bereits viel weiss, kann das Internet effizient und effektiv nutzen. Wer zwar kooperativ ist und gut kommunizieren kann, aber alles erfragen oder googeln muss, weil Wissen fehlt, ist zu langsam, zu unproduktiv und kann nicht wirklich mitreden und kritisch denken.