Dienstag, 18. Juni 2019

Chancen und Limiten von online-Kursen in der Erwachsenenbildung


Vor einiger Zeit absolvierte ich bei edx zwei Kurse: einen von Microsoft angebotenen Kurs für Java‑Programmierung und einen von einer amerikanischen Business School angebotenen Kurs zum Thema Mikroökonomie. Die Kurse waren gratis. Wer ein Diplom wollte, musste 80% richtige Antworten haben und 99$ bezahlen.

Dier Kurse dauerten je einen Monat. Nach vier Tagen hatte ich beide Male die 80% richtigen Antworten beisammen. Der Kursaufbau und die Aufgaben bestanden eigentlich nur aus (leicht nachschlagbarem) Faktenwissen der Taxonomiestufe 1. Manchmal musste man auch nur einen Quellcode abschreiben und kompilieren, dann hatte man das Resultat.

Komplexeres hätte ja auch bedeutet, dass eine Lehrperson sich die Mühe macht die Lösungsvorschläge der Kursteilnehmenden zu analysieren und zu bewerten, was sich bei diesen Preisen rasch nicht mehr rechnen würde.

Der Stoff selbst wurde gut aufbereitet (Frontalunterricht via Filmchen und Text). Beim Java-Kurs ist mir nur einmal in einer Übungsaufgabe ein Fehler bei der Musterlösung aufgefallen. Beim Mikroökonomiekurs fand ich keine fachlichen, jedoch diverse formale Fehler.
Im dritten Java-Modul wurde es etwas anspruchsvoller. Fragen konnte man nicht, da die «Lehrerin» (eine Microsoftfrau aus Kalifornien) nicht so präsent war und google auch nicht wirklich weiterhelfen konnte.

Neben dem Werbeeffekt für die Anbieter, können diese Kurse eine Ergänzung sein, um hobbymässig etwas zu lernen, was einem gerade interessiert. Man hätte allerdings auch einfach ein Buch lesen können. Ferner können solche Kurse evtl. interessant sein, in Ländern, in denen es kein brauchbares (Weiter)bildungssystem gibt. Entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen stützen diese These allerdings nicht. Die Teilnehmer stammten fasst alle aus Industriestaaten. 
Herkömmliche Weiterbildungsangebote werden häufig von Branchenverbänden auf Wunsch von Unternehmen entwickelt. Prüfungen bestehen aus Praxisfällen, häufig sind es open-book-tests. Die Arbeitsmarktchancen von Absolventen sind meist sehr gut. Viele Kursteilnehmende werden von ihren Arbeitgebern (finanziell) unterstützt. Die Zahl solcher Abschlüsse hat gemäss Bundesamt für Statistik in den letzten 20 Jahren stark zugenommen. Zu glauben, dass online-Kurs solche Präsenzveranstaltungen überflüssig machen, ist absurd.

Online-Kurse verlangen eine hohes Mass an Selbstdisziplin. Entsprechend sei die Abbrecherrate sehr hoch. Ausserdem ist immer wieder erstaunlich, wie froh die Teilnehmer sind, wenn ihnen in Präsenzveranstaltungen die Sachen detailliert erklärt werden. 

Übrigens: auch edx sieht sich gemäss ihrer Website nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung.

https://www.researchgate.net/profile/Jose_A_Ruiperez-Valiente/publication/330316898_The_MOOC_pivot/links/5c3b5099458515a4c7234c17/The-MOOC-pivot.pdf?origin=publication_detail